Porträts, Landschaften und Katastrophen
Mal brav, mal aber auch beunruhigend: Malerei in der Frankfurter Ausstellungshalle Schulstraße 1A
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„Das machst du nie wieder!“ Nun liegt uns selbst in der Kunst nichts ferner, als einer jungen Malerin den unbedingten Gehorsam wider ihren Lehrer vorzuschreiben, im Gegenteil. Doch angesichts der aktuellen Arbeiten Cristina Herradas Martíns, die derzeit in der ganz der Malerei gewidmeten Gruppenschau in der Frankfurter Ausstellungshalle 1A zu sehen ist, kommt man doch ins Grübeln. Denn womöglich hatte Hermann Nitsch, der seine Schülerin vor vielen Jahren derart zurechtwies, das Porträtmalen doch bitte zu lassen, sogar recht. Nicht dass die kleinformatigen, oft als Auftragsarbeiten entstehenden Bilder recht eigentlich misslungen wären.

Doch im Vergleich mit ihren parallel dazu gezeigten, gestisch-locker auf die Leinwand geworfenen und farblich von türkis und rosa über silbern und golden bis violett und malvenfarben ein reichlich ungewöhnliches Spektrum ausmessenden Landschaften erscheinen die Porträts doch reichlich brav und verhalten für eine Künstlerin ihres Temperaments. „Non radical - non conceptual“ hat der Leiter der Ausstellungshalle, Robert Bock, die Schau insgeheim und durchaus leicht provokativ überschrieben. Und in der Tat, jenseits derzeit allüberall gern bemühter Theoriegebäude zur Rechtfertigung gegenwärtiger Malerei erscheinen die vorgestellten Positionen vielmehr einem genuin malerischen Ansatz verpflichtet.

Auch das könnte man ironisch „radical“ nennen, anachronistisch vielleicht auch, gar naiv, wenn es nicht missverständlich wäre im Hinblick auf die Qualität der hier vorgestellten Positionen. Das gilt für die Kunst der 1974 in Madrid geborenen Herradas Martín ebenso wie für die imaginären, Organisches und Anorganisches, Natur versus Zivilisation oder auch Mikro- und Makrokosmos auf eine Bildebene zwingenden Ölbilder Tatiana Urbans und erst recht für die eingedenk seiner Einzelausstellung an diesem Ort zunächst verblüffenden Porträts von Daniel Beer.

Denn während sich der in Mainz, Dresden und Berlin ausgebildete Künstler vor eineinhalb Jahren mit tendenziell abstrakten und vornehmlich schwarzweiß daherkommenden Bildern als ein gestisch versierter Maler von virtuoser tänzerischer Bewegung vorstellte, erscheinen die großformatigen, farblich noch einmal reduzierten und vor dem Modell entstandenen Bildnisse junger Frauen geradezu feinmalerisch. Und doch ist sich Beer ganz offensichtlich treu geblieben: Das Einzige, was ihn an der gegenständlichen Malerei noch interessiere, hatte Beer seinerzeit gesagt, sei die menschliche Figur.

Nur hatten wir das damals wohl missverstanden. Denn statt seinen Weg in die Abstraktion entschlossen fortzusetzen, ist das Gegenteil der Fall. Vor dem Modell zu malen, so der Künstler, statt wie bislang nach Fotos und gleichsam durch einen medialen Filter, sei für ihn vielmehr wie eine Befreiung.

Sarah Schoderer, die noch bei Christa Näher an der Städelschule studiert, hat ihren Weg derweil schon gefunden. Denn wie es ihr in ihren stets nass in nass und mit pastosem Farbauftrag gemalten Stillleben gelingt, nicht anders als banal zu nennenden Gegenständen - einer Zange etwa, einer leeren Flasche und einer Medikamentenpackung auf einem Regalbord - rein malerisch Präsenz und Bedeutung zu verleihen, wie sie in ihren Atelierinterieurs einen umgestürzten Stuhl, ein Kehrblech und eine Einkaufstüte im kargen, leeren Raum inszeniert, entzieht sich diese Malerei zwar vordergründigen konzeptuellen Zwängen. Zugleich aber macht sie keinerlei Aufhebens davon.

Nadja Bauernfeind, deren aktuelle Arbeiten Bock parallel dazu im Kabinett vorstellt, macht sich angesichts derlei Kategorisierungen vermutlich ohnehin keine Gedanken. Denn während sie noch als Studentin an der Offenbacher Hochschule für Gestaltung mit dichten, gestisch-expressiven Stadtlandschaften auf sich aufmerksam machte, bevor sie vor zwei Jahren mit teils gewaltigen Landschaften in der Ausstellungshalle überraschte, zeigt sie nun eine weitere Facette ihres zeichnerischen Talents. In den mit Tusche und Rohrfeder aufs Papier geworfenen „Felsen/Dolomiten“ oder „Felsen/Steine/Häuser“, in „Entgleisung“ oder „Schaufelradbagger“ erreicht Bauernfeinds Kunst jetzt eine gleichermaßen beunruhigende, vom Genre unabhängige Dichte und Intensität, wie man sie bis dato vornehmlich von ihren nach Zeitungsbildern entstandenen „Katastrophen“ kannte. Bauernfeind hat sich stets Zeit gelassen. Doch angesichts der konzentrierten Auswahl dieser Blätter kann man nicht umhin zu konstatieren: Die so geduldige wie nachhaltige Entwicklung ihres Werkes hat sich gelohnt.

Die Schau in der Frankfurter Ausstellungshalle Schulstraße 1A ist bis zum 16. Mai mittwochs und donnerstags von 18 bis 20 Uhr, freitags bis sonntags von 14 bis 18 Uhr geöffnet.

Christoph Schütte
Text: F.A.Z.