AUSSTELLUNGSHALLE - Schulstraße 1a HH - 60594 Frankfurt a.M. - Tel.:069/96200188
Pressestimmen



Frankfurter Kunstszene

Ein Tschello steht verlassen im Eck der Straße

Wie Galerien und freie Ausstellungsmacher den Winter überstehen

"Im Februar ist es ja immer ruhig, aber dieses Jahr ist es besonders ruhig." So oder so ähnlich lauten die Kommentare zur aktuellen Lage in einigen Frankfurter Galerien. Freilich nicht überall: Michael Beutlers "Strandsegler Lolita" zum Beispiel hätte sein Galerist Neff (Hanauer Landstraße 52) sogar schon drei Mal verkaufen können. Jetzt freut sich ein rasch entschlossener Privatsammler, der zu Hause ziemlich viel Platz haben muß, an seiner Erwerbung, einer raumgreifenden Skulptur des 1976 geborenen Städelschülers.

Im Zentrum dieser Arbeit steht eine selbstgebaute ingeniöse Wickelmaschine, mit der Michael Beutler aus drei dünnen Stahlbändern dreikantige, mit bunten Stoffen umwickelte Stangen herstellte, die sich nun wie von selbst überall in der Galerie ausbreiten, auch als fragile Dreiecksforrnen. Mit seiner ästhetischen und zugleich mild subversiven Raumverwandlungskunst hatte der junge Frankfurter Künstler in den vergangenen Wochen großen Erfolg in der Wiener Secession.

Auf seinen "weißen Bildern von 1991" outete sich der allzeit bereite Ironiker Martin Kippenberger (1953 bis 1997) überraschenderweise als praktizierender Jünger von Minimalismus, Monochromie und Textkunst. Parallel zur Karlsruher Ausstellung des Künstlers zeigt Bärbel Grässlin (Bleichstraße 48), die ihn seit vielen Jahren vertritt, neun von insgesamt elf großformatigen Tafeln dieser Werkgruppe.

Martin Kippenberger hat darauf die Kommentare eines neunjährigen Jungen zu des Malers Lieblingsbildern geschrieben, weiß auf weiß in verstellter Kinderschrift. "Ein Kinese zeigt einem anderen Kinesen die Zunge sehr gut" ist da etwa _ allerdings schlecht - zu lesen, oder "Ein Tschello steht verlassen im Eck der Straße sehr gut": Echte Kippenberger-Experten sollen imstande sein, die auf diese Weise geschilderten Gemälde zu identifizieren.

 

Die weißen Bilder, die bisher nur einmal bei der Ausstellung "qui, quoi, oü" im Jahr 1992 im Mus6e dArt Moderne de la Ville de Paris zu sehen waren, können nur alle zusammen erworben werden - es handelt sich offenbar um Museumsware.

Recht unterschiedlich ist die Stimmung bei den freien Ausstellungsmachern und Künstlerinitiativen. Seit April 1999 zeigt der promovierte Kunsthistoriker Robert Bock Jahr etwa sechs vielbeachtete Ausstellungen junger Frankfurter Künstler. Sein Domizil ist ideal: eine 400 Quadratmeter große ehemalige Waschhalle mitten in Sachsenhausen. Bock versteht sein Tun nicht als kommerzielle Galerie, sondern als institutionelles Kulturangebot. Solange Jean-Christophe Ammann Vorsitzenderder Hessischen Kulturstiftung gewesen sei, habe er aus dieser Quelle mehrmals finanzielle Unterstützung für seine Projekte erhalten, sagt Bock. Zwar habe er einen Förderverein, müsse sich aber vor allem um öffentliche Fördermittel bemühen - bisher allerdings ohne Erfolg. Jetzt renoviert er erstmal seine Ausstellungshalle, wo Corinna Korth, Atelierstipendiatin der Jürgen-Ponto--Stiftung, ihre "carnivoren Mischwesen" unter dem Titel "Effektive] Jagen" zeigt. Die Eröffnung mit Performance ist am 14. Februar um 19 Uhr.

Mit "rraum" begannen der Städelschulabsolvent Peter Lütje und die Kunsthistorikerin Meike Behm vor acht Jahren in ihrer eigenen Wohnung eine höchst produktive Ausstellungstätigkeit. Lütje setzte dies 2001 mit Christoph Blum, Claus Richter und Haegue Yang in einer gemeinsa-men Atelierwohnung mit "raum02" fort. Jetzt suchen sie ein neues Quartier - und hoffen auf Räume im Frankensteiner Hof. Saul Judd und sein Projekt "dontmiss" werden in Frankfurt viele vermissen. Wie geplant hat er 50 Zwei-Wochen-Ausstellungen gezeigt, an ganz unterschiedlichen Orten, auch im Internet, wie zur Zeit Laura Horelli. Nun geht er nach Berlin, will aber zeitweise wiederkommen. Nicht nur Judd geht fort, auch zahlreiche andere freie Kunstorte sind mittlerweile verschwunden. Die Szene ist langweiliger geworden.

KONSTANZE CRÜWELL

(Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 13.02.2003)

[Pressestimmen]

[zurück zum Portal]


 

Der Wolfsmensch und seine natürlichen Feinde

Corinna Korth Effektiver Jagen": Arbeiten von Corinna Korth im Ausstellungsraum Schulstraße

Der natürliche Gegner des "Wolfsmenschen" ist der für seine Schießwut bekannte Jäger. Als weitere dem Wolfsmenschen nach dem Leben trachtende Feinde erweisen sich der Bauer und der Schäfer. Im Frankfurter Ausstellungsraum Schulstraße la wurden sie als lebensgroße Papptiguren zur Warnung aufgestellt: der Bauer ein vierschrötiger Typ mit Forke und Rechen, der Schäfer - nicht besser - bewaffnet mit einer spitzen Kelle.

Die 1975 in Hildesheim geborene Künstlerin Corinna Korth hat sich mit ihrem Wolfsmenschen an der antiken Mythologie orientiert. Ihr Wesen besitzt - wie ein stierköpfiger Minotaurus - einen menschlichen Leib, auf dem jedoch ein Wolfskopf sitzt. Für ihre Tiermenschen hat die Stipendiatin der Jürgen-Ponto-Stiftung während ihres einjährigen Aufenthalts in Frankfurt nach und nach eine ganze Welt erschaffen: eine Welt allerdings wie die unsere - mit Sportvereinen, Ratgebern und Spielen. Wer die Ausstellungshalle betritt, findet sich in diesem Reich der Mischwesen wieder. Die Wände schmücken Fotografien von Fußballmannschaften mit Wolfs- oder gegnerischen Hirschköpfen. In Vitrinen werden Pokale präsentiert, ein Videofilm zeigt das Fußballspiel zwischen dem "VfL Wölfe" und der Mannschaft "SG Hirsch 02".

Mit ihren detailverliebten Objekten, denen man die Handarbeit erst auf den zweiten Blick ansieht, setzt Corinna Korth den Betrachter der trostlosen Atmosphäre rauchvernebelter Vereinsgaststätten aus, in denen schon mittags der Fernseher läuft und saubergewischte Plastikdecken die Tische zieren.

Indem ihre Mischwesen die Gewohnheiten der Menschen bis ins kleinste nachahmen, wird so das Absurde dieser Gewohnheiten offenbar: Zivilisationskritik im Wolfskostüm. Denn obwohl der Wolfsmensch in Corinna Korths Welt als furchteinflößendes Raubtier sein Unwesen treibt, findet sich die Sympathie der Künstlerin eindeutig auf der Seite dieses Wesens. In ihren Arbeiten stellt sie es äls wild, aber dennoch schützenswert dar, weshalb sie ihm den Ratgeber Jagen leichtgemacht' geschrieben hat. In ihm wird auseinandergelegt, wie der Wolfsmensch sein Opfer am besten reißen kann. Daß wiederum das Schaf die leichteste Beute darstellt, kann man dem Kapitel "Kleine Opferkunde" entnehmen. Weitere Ratschläge befassen sich mit der "Rudelverständigung bei der Schafsjagd", mit dem "Niederringen von -Großsäugern" und der "Strategie und Taktik im Rudel".

Mit komisch konsequentem Ernst betreibt Corinna Körth ihre Beschreibung der Jagdstrategien. Das "Niederringen der Großsäuger" etwa wird anhand einiger Fotos erläutert, auf denen ein Wolfsmensch -dargestellt von einem Mann mit Wolfsmaske - einen Stoffhirsch über die Schulter wirft oder einen Stoffkeiler rückwärts anspring In der Ausstellungshalle finden sich die riesigen Stofftiere auf einer Judomatte wieder. Auch für dieses Handbuch, das sich ironisch eines wissenschaftlichen Gebarens bedient, gilt: Die exakte Form steht in komischem Gegensatz zum bizarren Inhalt.

KATHARINA DESCHKA-HOECK

 

(Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 19.02.2003)

[Pressestimmen]

[zurück zum Portal]


 

Die Frau, die mit dem Wolf kickt

Der Wolf hat es Corinna Korth angetan. Nur im Märchen tauche das Tier als Inbegriff des Bösen auf, seine soziale Kompetenz werde verkannt.

Sachsenhausen. Der Wolf hat die Künstlerin Corinna Korth schon immer fasziniert. Früh verschlang sie jegliche Form der Literatur, die sich mit dem Rudeltier beschäftigte. Und schnell fiel ihr der Widerspruch zwischen mythologischer und zoologischer Darstellung auf. Jn Märchen beispielsweise tritt der Wolf durchweg in der Rolle des Bösen auf. Die Biologie hingegen charakterisiert ihn als sehr sozial, intelligent und scheu." Dieser Widerspruch ließ die Künstlerin nicht mehr los und so , stellte sie vor sechs Jahren den Wolf in den Mittelpunkt ihres künstlerischen Schaffens. Seitdem ist sie in Hamburg und im vergangenen Jahr auch in Frankfurt als Mischwesen unterwegs.

In der Ausstellungshalle in der Schulstraße la, sind bis zum Sonntag, 9.März, die Einzelprojekte ihres Buches Jagen leicht gemacht" zu sehen. Den verschiedenen Arbeiten liegt die Annahme zu Grunde, dass Mensch und Tier gekreuzt werden können. Alle weiteren Thesen beruhen auf biologischer Grundlage. Ich habe einfach das Jagdgebaren des Wolfes auf den Menschen übertragen. Meine Informationen habe ich sowohl aus der biologischen Forschung als auch durch Gespräche mit Förstern, Jägern und Bauen gewonnen", erklärt die Absolventin der Hamburger Hochschule für bildende Künste.

Mit einer selbst gefertigten Maske verwandelt sich Corinna Korth von Zeit zu Zeit in Canis Lupus, ein Mischwesen aus Wolf und Mensch. In dieser Gestalt versucht sie sich in der Zivilisation zurecht zu finden, Parallelen zwischen tierischen und menschlichen Verhalten aufzuspüren und die Probleme eines Mischwesens, also eines Außenseiters, darzustellen.

Im Verlauf von 18 Monaten ist daraus das Buch"Jagen leicht gemacht. Ratgeber für carnivore Mischwesen in der zivilisierten Welt" geworden. Das Projekt wurde ermöglicht durch ein Stipendium der Jürgen-Ponto-Stiftung der Dresdner Bank. Starke Parallelen entdeckte die Diplom-Künstlerin zwischen wölfischer Angriffstaktik und dem Fußballspiel. Also ließ sie kurzerhand ein Rudel Wölfe auf dem Platz gegen Hirsche antreten. Die Jäger erschienen in den Trikots des Vfl, Wolfsburg und die Beute in der Kluft von Eintracht Frankfurt. 90Minuten lieferten sich die Teams ein erbittertes Duell. Als Sieger gingen die Wölfe vom Platz.

"Selbstverständlich, werden jetzt viele sagen. Doch in der Natur hat der Wolf gerade mal eine Chance von 20Prozent, einen gesunden Hirsch zu erwischen", erklärt Corinna Korth. Das Spiel sei durchaus eine ernste Auseinandersetzung gewesen und der Ausgang keineswegs gewiss. Ausschnitte aus 'dem Spiel Meisterschaften der Rudeltaktik 2002" sowie die Fahnen und Pokale der Mannschaften sind in der Schulstraße la ausgestellt.

Ein anderes filmisches Projekt thematisiert die Nahrungskonkurrenz zwischen Wolf und Bär. Die Auseinandersetzung wird durch den Kampf zweier Aikido-Meister, bekleidet mit Masken, in die Welt des Menschen transformiert. Die Nahrungskonkurrenz ist kein Kampf auf Leben und Tod. Hier gewinnt mal der eine, mal der andere. Und auch Aikido ist eine sanfte Kampfsportart. In Zeitlupe wirkt sie sogar eher wie ein Tanz." In den USA hätten bereits Menschen mit Wölfen in Aikido gekämpft. "Die Tiere haben aber nicht aggressiv reagiert. Sie fassen das spielerisch auf."

Und auch wenn Corinna Korth ihre Aufzeichnungen betrachtet, wirkt es fÜr sie vollkommen real. "Ich sehe dort keine Menschen mit Masken mehr, sondern Mischwesen. Und auch Freunde, die mein Buch gelesen haben, bestätigten mir, dass sie irgendwann ganz in diese Welt versunken sind", sagt die Wahl-Hamburgerin.

Corinna Korths Texte sind den üblichen Sachbüchern so ähnlich und so konstruiert, dass der Leser einfach in die Welt der Mischwesen eintauchen muss. Im gleichen Stil wie der Mensch über Tiere schreibt, hat die Künstlerin ein Buch über Menschen für fingierte Mischwesen geschrieben.

Ihre Wolfsfrau Canis Lupus soll stellvertretend für alle Außenseiter in dieser Gesellschaft stehen, "Es ist sehr spannend zu beobachten, was passiert, wenn ich in ihrer Gestalt durch die Stadt gehe."

Kinder seien immer fasziniert Erwachsene hingegen reagierten meist negativ. Ihr Verhalten ist bestimmt von Bildern aus Märchen. Betreten Eltern mit Kindern meine Ausstellung, ist die erste Aussage meist: Oh, schau mal, da ist der böse Wolf" Und auf diese Weise hielten sich auch Vorurteile gegenüber anderen Mischwesen in der Gesellschaft aufrecht.

(kan)

(Frankfurter Neue Presse vom 21.02.2003)

[Pressestimmen]

[zurück zum Portal]


 

Wenn nur der Lauerstep noch hilft

Das Beuteschema von Corinna Korth ist in der Ausstellungshalle 1A gut erklärt

Man kennt das ja: Da steht der Keiler so vor einem, und man weiß einfach nicht, wie zupacken. Dabei wäre die Beute so gut wie im Sack, hätte man zuvor nur ein kleines bisschen trainiert und sich mal in einem Fachbuch kundig gemacht. Es gibt schließlich hervorragende Literatur über das Niederringen von Großsäugern. Jagen leicht gemacht von Corinna Korth zum Beispiel, ein Handbuch, das ohne Übertreibung als Standardwerk in Sachen "manuelle Wildschweinüberwältigung" oder "Opferkunde im domestizierten Lebensraum" bezeichnet werden kann.

Mit anschaulichen Step-by-step-Bildern ist das Sachbuch nicht nur leicht verständlich und bis ins Detail beschrieben, sondern auch der bislang einzige seiner Art, was wohl auf eine gewisse Zielgruppenknappheit zurückzuführen ist. Doch für "carnivor lebende Mischwesen", sprich: Fleisch fressende Wolfsmenschen, stellt es einen unentbehrlichen Leitfaden dar.

"Der Prädator hockt rückwärtig auf den Keiler auf und packt den Schwanz des Tieres," heißt es zum Beispiel bei Abbildung 3 im Kapitel 4e, wo die "Schwarzkittelrolle hinterrücks" erläutert wird. "Durch den Schwung beim Aufspringen wird das Beutetier zu Boden gerissen." Eine ruhige Hand empfiehlt sich allerdings auf der Hirschpirsch, beim "Pansenkick mit halber Drehung", denn Gegenwehr mit Geweih droht. "Mit festem Griff wird der Äser des Beutetiers umschlossen und der Hals ruckartig nach oben gestreckt", empfiehlt Corinna Korth, die letzte Atelierstipendiatin der Dresdner Bank Stiftung, in ihrer Arbeit Effektiver Jagen, entwickelt im einjährigen Frankfurt-Aufenthalt.

Die Mischwesen-Untersuchungen der 1975 geborenen Absolventin der Hochschule für Bildende Kunst Hamburg sind aber nicht auf Wald und Wiesen begrenzt, sie hat auch differenzierte Feldstudien vorgenommen, Fußballfeldstudien, um genau zu sein, VfL Wolf gegen FC Hirsch, wie in einer Videoaufzeichung zu sehen ist. Unter dem Thema "Rudeltaktik" kam es zur brisanten Begegnung zwischen Damwild und Raubtier.

Das Jagd-Handbuch, das begleitend zur Ausstellung erscheint und auf großen Schautafeln für die Galerie reproduziert wurde, ist in Diktion und Layout exakt den Handbüchern von Angelfreunden, Pilzsammlern oder Dampflokomotivliebhabern nachempfunden. Die ungelenken Formulierungen in angestrengtem Profi-Kauderwelsch entwickeln absurde Komik, etwa in der Rubrik "Erkennen und Einordnen von Gegnern", Kapitel "Der Förster und der Jäger": "Der Jäger ist darauf aus, nach dem Erwerb des Jagdscheins seine Flinte direkt zum Einsatz zu bringen," heißt es warnend. Da hilft nur der Lauer-step oder eben das präzise Auswackeln des Gegners, in exakten Schrittfolgen dargelegt und dem Discofox nicht unähnlich. Ebenso wird abgeraten, ausgewachsene Rinder zu attackieren: "Im gesunden Zustand ist dieses Tier absolut ungeeignet!"

Das Spiel mit der Pespektiven-Verschiebung beherrscht Corinna Korth ausgezeichnet. Einerseits gestaltet sie liebevoll Trophäen für die Kicker vom Wolfsrudel oder näht Vereinsflaggen, als gelte es auch für das Raubtier, in der Schrebergartensiedlung eine gute Figur zu machen. Andererseits beschreibt sie die menschlichen Gegner des Wolfs als unberechenbare Feinde, die zwischen Dusseligkeit und Heimtücke ein nicht geringes Gefahrenspektrum darstellen. Der satirische Humor ist dabei schnell kapiert, der Gag an sich hält nicht lange vor.

Doch die Vergleichsstudien von Corinna Korth leben von der perfekten Ausführung und von der beharrlichen Umkehrung des Opfer-Täter-Verhältnisses unter Verwendung der Sprache der eigentlichen Aggressoren: der jagdlustigen Menschen.

Da wird nichts Anklagendes aus der Tierschutzecke laut, vermutlich ist bei Corinna Korth noch nicht mal übergroße Tierliebe im Spiel. Eher ein sicheres Gespür für das Treiben der absurden Blüten, die aus Angst beim Menschen so entstehen. Der Wolf ist schließlich schon in der antiken Mythologie auf den bösen Raptor abonniert. Zudem ist er der Wolf des Menschen. Oder war das doch jemand anderes?

Silke Hohmann

(Frankfurter Rundschau vom 01.03.2003)

[Pressestimmen]

[zurück zum Portal]

 


Lesbisches Möwenparchen

Marion Porten in der AusstellungsHalle

Am Ende der Führung kommt man dann doch ein wenig ins Grübeln. Ob man schon einmal homosexuelles Verhalten bei einem Tier beobachtet habe, will die Künstlerin in einem Fragebogen wissen. Keine Ahnung. Ist mein alter Dackel bisexuell, wenn er auf alles springt, was vier Beine hat? Oder gar pervers, wenn er die Katze zu begatten sucht? Nie darüber nachgedacht. Und der Hund wohl auch nicht. Dabei gibt sich die Installation alle Mühe, dem Besucher homosexuelles Verhalten im Tierreich als weitverbreitetes Phänomen nahezubringen. Marion Portens multimediale Skulptur, die derzeit in der Frankfurter AusstellungsHalle Schulstraße 1A zu sehen ist, kommt wie ein Museum im Miniaturformat daher mit dem erklärten Ziel, einem "unbeachteten Randthema der Verhaltensforschung massiven Raum" zu verschaffen, wie es in einem Statement der Künstlerin heißt.

"Wunderwelt Verhaltensforschung" ist im Kern eine massive, hölzerne Konstruktion mit acht in die Skulptur integrierten Stationen, an denen das homosexuelle Gebaren von Tieren beleuchtet wird. Mit Kopfhörern versehen, begibt sich der Besucher auf eine Audiotour wie auf einen Lehrpfad, betrachtet Zeichnungen, Videos, eine Skulptur oder puzzelt ein bißchen an dem lesbischen Möwenpaar herum. Doch was tatsächlich Dokumentation, was an den Haaren herbeigezogen oder was schlicht geflunkert ist, läßt sich kaum ausmachen. Denn wie im Museum sieht man zwar eine Menge Exponate, doch was man sieht, erläutert der Begleittext.

Und dann glaubt man's halt. Es bleibt schlichte Behauptung, wenn etwa die an die Wand projizierte Zeichnung zweier sich paarender Käfer,

eine Plastik von im Liebesspiel versunkenen Seekühen oder die Bärenfamilie als Beispiele homosexuellen Verhaltens vorgeführt werden.

Und was ist das überhaupt? Balzrituale unter Gleichgeschlechtlichen, gemeinsames Eierausbrüten, der Sexualakt? Es ist allein die Inszenierung, der Anschein von Wissenschaftlichkeit, der den Betrachter kaum einmal zweifeln läßt. Und das ist es wohl auch, was die 1972 geborene und in Leipzig lebende Künstlerin mit ihrer Arbeit zum Thema machen will, die im Rahmen ihres Atelierstipendiums der Kulturstiftung Dresden der Dresdner Bank entstanden ist: die Inszenierung und Instrumentalisierung von Wissenschaft. Es mag sein, daß homosexuelles Verhalten im Tierreich mal ignoriert, mal als natürlich, mal als pervers in der Forschung dargestellt wurde, auch und gerade im Hinblick auf die menschliche Gesellschaft.

Immer schon waren Verhaltensforscher versucht, Erkenntnisse auf den Menschen zu übertragen, und es war praktisch, wenn es politisch in den Kram paßte. Daß der eigene Ansatz kaum selbst Gegenstand kritischer Reflexion ist, vermag dann aber doch zu überraschen. Denn daß die Homosexuellenszene vor solcher Instrumentalisierung nicht gefeit ist, zeigt das Beispiel der Schimpansendame Pippi, die zur lkone der Homosexuellen aufgestiegen und Ziel von "Gayded Tours" in einem holländischen Zoo geworden ist. Ob der arme Affe nun lesbisch ist oder nicht, dazu gibt es unterschiedliche Aussagen. Jeder sieht das, was er sehen will", lautet der Kommentar des Pflegers. Das mag man als Fazit der Ausstellung gelten lassen.

CHRISTOPH SCHÜTTE

(Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 27.03.2003)

[Pressestimmen]

[zurück zum Portal]

 

 


Homosexuelle Hyänen

Marion Portens "Wunderwelt Verhaltensforschung"

Ausgerechnet Flamingos. Es würde ja auch kaum zu irgend einem Tier besser passen als zu den rosa gefiederten, irgendwie geckenhaften und gleichzeitig rührenden Stelzvögeln, dass sich zwei Männchen zusammentun und gemeinsam ein Flamingokind adoptieren und aufziehen. Oder Delfine. Bei diesen sensiblen und schöngeistigen Intelligenzbestien halten die homosexuellen Beziehungen oft ein Leben lang. Und dass Pippi, die stets schlecht gelaunt und ungünstig frisiert wirkende Schimpansin, eine Lesbierin sein soll, passt auch ins Bild.

Seltsam nur, dass die Natur auch noch die blödesten, politisch unkorrekten Stereotypen so gründlich bedient. Vielleicht aber ist es auch genau umgekehrt. Marion Porten, Atelierstipendiation der Kulturstiftung der Dresdner Bank, hat sich in ihrem Projekt "Wunderwelt Verhaltensforschung" mit diesem Randthema der Tierwelt befasst. In der Forschung wurde Homosexualität bei Tieren bis vor dreißig Jahren noch als abnorm und bizarr bezeichnet, üblicherweise hielt man schwule Verbindungen bei Tieren für einen Wahrnehmungsfehler oder eine grobe Verhaltensstörung.

Allerdings sprechen die Praktiken der einzelnen Arten eine ganz andere Sprache, wie Marion Porten in unterschiedlichen Darstellungen als Skulptur, Zeichnung, Schaubild oder Film zeigt. Seekuh-Männchen zum Beispiel imitieren keineswegs den heterosexuellen Fortpflanzungssex, wenn sie mit ihresgleichen verkehren. Vielmehr haben sie eine ganz eigene Art der Begegnung entwickelt, bei der es keine weiblichen oder männlichen Rollenmuster gibt - und die darüber hinaus bis zu acht mal länger dauert, inklusive Vorspiel mit zärtlichem Küssen.

Wo der Mensch über sich selbst in moralischen Kriterien nachdenkt und nicht recht weiter weiß, guckt er sich ja gerne mal im Tierreich um. Und findet dort stets, was er sucht. So hält tierische Homosexualität in der Verhaltensforschung sowohl den Nachweis für die angebliche Widernatürlichkeit gleichgeschlechtlicher Beziehungen parat als auch das Gegenteil. Während die Hyäne, ein schon den alten Griechen als zu homosexuellen Kontakten neigendes Tier bekannt, stets ein schlechtes Image hatte und für Unreinheit und Wankelmut stand, ist die Schimpansin Pippi, Insassin des Zoos von Amsterdam, zur Ikone der europäischen Gay-Community geworden und Gegenstand zahlreicher Führungen.

Marion Porten hält sich mit Urteilen zurück. Eher ist ihre Ausstellung - eine begehbare Skulptur mit verschiedenen, den einzelnen Gattungen zugeordneten lehrreichen Stationen - ganz wie in einem Naturkundemuseum organisiert. Bloß ist ihr Auftrag kein rein wissenschaftlicher, sondern sie hat ein paar reizend undokumentarische Elemente in petto, die sich fast unbeabsichtigt aus der Kunstgeschichte zu bedienen scheinen.

Das Puzzle mit zwei gemalten Möwen zum Beispiel, das angeblich ein lesbisches Pärchen darstellt, ist im Magritteschen Sinne natürlich kein Möwenpärchen. Ceci n'est pas un couple des mouettes, noch nicht mal das Bild eines solchen, schon gar keines lesbischen. Bestenfalls wäre es ein Museumsshop-Artikel, ebenso wie das T-Shirt mit der Grizzlyfamilie, die aus zwei Müttern und deren Kindern besteht - T-Shirt-Beschriftung inklusive: "Eine Zwei-Mütter-Grizzlybären-Familie mit ihren Jungen". Da wird die Natur zum Projektionsfeld und die Stilisierung des Tierverhaltens zum Kitsch. Aber warum eigentlich nicht, wenn man "Zicke" oder "Slayer" auf einem T-Shirt liest, glaubt man es schließlich auch.

Dass in der Kunst auch Randständiges wie Homosexualität bei Tieren künstlerisch umgesetzt wird, hängt gewiss mit einer liberaler werdenden Gesellschaft zusammen. Gleichzeitig hat sich die Grenze zwischen Kunst und Dokumentation in den vergangenen Jahren immer mehr aufgelöst. Vor diesem Hintergrund ist Marion Portens pädagogischer Exkurs ins Sexlife des Wildlife eine interessante, lehrreiche und amüsante Installation, wenngleich sie nicht weit über das Zusammentragen und didaktisch Aufbereiten von zoologischen Fakten hinausgeht.

Marion Porten positioniert sich selbst eher zurückhaltend, wo sie kommentiert, geschieht dies aus der romantisierenden Warte. So verbreitet sie zwar aufklärerisch Kenntnis, reiht sich aber dennoch ein in die lange Tradition der Tierbeobachtung zu Zwecken der Gesellschaftsanalyse. Der amerikanische Sexualwissenschaftler James Weinrich beschreibt diese Sichtweise so: "Wenn Tiere etwas tun, was wir mögen, nennen wir es natürlich. Wenn sie etwas tun, was wir nicht mögen, nennen wir es animalisch."

Silke Hohmann

(Frankfurter Rundschau vom 12.04.2003)

[Pressestimmen]

[zurück zum Portal]


Malerei von Freiheit und Abenteuer

Karsten Kraft zeigt seine Bilder in der Ausstellungshalle Schulstraße 1 A

Seine Himmel sind so blau wie die Farbe seiner Zigarettenmarke, die als pure Natur verspricht, was als Blauer Dunst genossen wird: Karsten Kraft präsentiert sich als Maler von Freiheit und Abenteuer.

Besucher, die jetzt die Ausstellungshalle 1 A in Sachsenhausen betreten, bekommen erst mal ein riesiges Panorama vorgesetzt. So etwas wie ein Highway ist darauf erkennbar, verwischte Vegetation, Wölkchen und furchtbar viele verschiedene Fluchtpunkte. Der Horizont scheint sich zu wölben. "Hier habe ich Geschwindigkeit dargestellt", sagt der Maler. Hinter dieser wilden Wand wird es ganz still. Robert Bock, Leiter der Ausstellungshalle, hat klug kuratiert, im Atelier klare Entscheidungen getroffen, sich auf das Thema "Landnahme" konzentriert. Krafts Darstellung von "Naturerscheinungen als dynamischen Prozessen" stellt er vor, "in der Schulstraße ist wieder Malerei angesagt", verspricht er knapp. Kraft, der an der Städelschule bei Hermann Nitsch studiert hat und zuletzt Meisterschüler im Fach "Interdisziplinäre künstlerische Arbeit" war, hat sich dem Genre verschworen. Er bedenkt konzeptuelle Aspekte von Malerei wie auch ihr schönfärberisches Potential.

Und sagt, was man streng genommen gar nicht darf, wenn man als Künstler heute auch nur einen Funken von political correctness für sich reklamiert: "Das wichtigste", erklärt der 35-Jährige, sei für ihn "nicht das Motiv, sondern der optische Genuss." Soghaft werden die Betrachter auf sein Terrain gelockt. Hauptbild in der Ausstellung aktueller Arbeiten ist eine nächtliche, kaum konturierte Landschaftsdarstellung, vor der man den Eindruck gewinnt, ungestörte Natur zu sehen mit viel Firmament.

Als eine Art Mönch am Meer ohne Mönch erscheint dieses Bild. Da geht Kraft teils in Richtung Romantik, teils geht es ihm um pure Sensorik. Wie immer fragt er sich zuerst: "Ist die Wandlung von Farbe auf Leinwand zu einem Bild - etwas Lebendigem - gelungen?" Präsenz und Dichte in der Darstellung erzielt er auch im Porträt. Seine Ehefrau - ihr Bild wurde pünktlich zur Ausstellung fertig - hat er vor einem menschenleeren Strand gemalt. Sie ist die Realität, an der er die Vision misst. Weitere Wirklichkeitselemente fände Kraft fehl am Platz. bis 8. Juni.

Von Dorothee Baer-Bogenschütz

(Frankfurter Rundschau vom 31.05.2003)

[Pressestimmen]

[zurück zum Portal]

 


Gewicht im Tiefenlicht

Raimer Jochims stellt in der Ausstellungshalle Schulstraße aus, wo man nun an alles denken darf

Sie quietscht, sie schreit - oder nimmt sich völlig zurück. Sie geht auf Distanz, sie springt uns an. Sie erregt uns oder lässt uns kalt. Farbe macht etwas mit uns. Wahrnehmungspsychologisch gesehen, ist sie ein weites Feld. Raimer Jochims holt da einiges heraus. Er zeigt, wie Farbe lebt. Wie sie korrespondiert mit anderen Farben. Welchen Einfluss die Form eines Bildes auf die Empfindung nimmt, die es bei uns auslöst. Und was die Art und Weise ausmacht, in der ein Werk präsentiert wird. "Sie sehen, dass meine Bilder verschieden hoch hängen je nach Gewicht von Farbe und Form", doziert der Meister der chromatischen Modulation. Dank strategisch-intuitiver Platzwahl - Jochims berücksichtigt "Bildwelt, Architektur und Wand" - sieht man tatsächlich, was Farbe "wiegt". Einige Bilder scheinen im Boden versinken zu wollen, andere unsinkbar. Constable etwa. Nicht zufällig erinnert das grüne Gemälde mit dem feinen himmelblauen Abschluss an die Ursprünge des Wolkenmalens und den britischen Profi, der sich darin hervortat: John Constable.

Jochims aber ist kein Landschaftsmaler. Der Maler und Kunstheoretiker zapft das Ideenrepertoire seiner künstlerischen Ahnen an und unterwirft es seinem eigenen Regelwerk. Bei ihm gibt es längst keine rechten Winkel mehr, eher gefühlte als ausgeführte Horizonte, mehr unbestimmte Atmosphäre als Eindeutigkeit der Perspektive. Gruß an Rothko lautet bezeichnenderweise der Titel eines dunkeltonigen Werks in Ei-Form. Mit den Formen treibt Jochims Spielchen. Alle sind möglich.

Der Betrachter kann ihren Ursprung erst einmal nur vermuten. Steht die Form für Stimmung? "Ich begann als Maler rechteckiger Bilder, das brach Anfang der siebziger Jahre zusammen", erinnert sich Jochims. Sodann produzierte er "amorphe, quasi organische Bilder aus Spanplatten". Mit viel Strahlkraft. Vor gut dreißig Jahren - er war gerade an die Städelschule gekommen als Professor für freie Malerei und Kunsttheorie - begann das, was er lapidar seine "zweite Arbeitsphase" nennt. Jochims verließ das Bildgeviert. Nun bedeutete zwar sein Abschied vom Rechteckformat nicht gerade die Revolution schlechthin.

Die "Shaped Canvas"-Mode mit objekthaften Bildträgern und Sensibilisierung für den Bildrand war um diese Zeit kein Zeichen ästhetischer Umwälzung mehr, die Betonung der Eigenwertigkeit von Farbe ein alter Hut. Als Jochims aufhörte, linientreu zu sein, hatten andere das Thema schon ausgereizt.

Wer allerdings seine aktuelle Ausstellung sieht, stellt fest, wie frisch alles wirkt.

Die Farbverläufe über den Rand hinaus ergeben pulsierende Dynamik. Jochims malt "nahezu immer" mit dem Spachtel. Mehrschichtig sind seine ungegenständlichen Bilder generell. Das Minimum sind drei Acrylschichten, um maximales "Tiefenlicht zu gewinnen". Es ist lange her, dass Jochims in Frankfurt außergewöhnliche Ausstellungen bestritt. 1990 war er im Portikus und Freien Deutschen Hochstift zu Gast. Jetzt versammelt er in der Ausstellungshalle Schulstraße ein Dutzend Arbeiten. Die frühesten entstanden zu Beginn der neunziger Jahre. Die jüngeren wirken nicht etwa älter. Alterswerk? Diese Bilder künden von Tatkraft, Vitalität, Könnerschaft und einer Vision: Aspekte der Kulturgeschichte mit zeitgenössischen Mitteln zu interpretieren.

Wer Jochims kennt, weiß, dass er oft auf Artefakte Bezug nimmt. Ein jungsteinzeitliches Steinbeil kann ihn ebenso inspirieren wie ein Faustkeil aus den Tagen des Neandertalers. Was wie ein Etuikleid, ein Fisch, eine Träne oder der Torso einer weiblichen Figur erscheint, wurzelt nicht selten in der Betrachtung von Kunstgegenständen oder gar prähistorischen Objekten. Weltkunst- und Kulturgeschichte gehen ein in das Oeuvre. Dabei weiß der ehemalige Rektor der Städelschule, der nächstes Jahr siebzig wird, nicht nur um das Gewicht der Farbe, sondern auch um den Wert innerer Bilder und ist generös: "Man darf an alles denken."

 

Von Dorothee Baer-Bogenschütz

(Frankfurter Rundschau vom 20.6.04 )

[Pressestimmen]

[zurück zum Portal]